01|02|2013

Das Krankenhaus

Zukunftsfähige Gebäudestruktur und Planungsorganisation von Krankenhäusern

Seite 170-174

TU Braunschweig entwickelt in einem interdisziplinären Forschungsprojekt Lösungen zur zukunftsfähigen Gebäudestruktur und Planungsorganisation von Krankenhäusern.

Prof. Carsten Roth, Prof. Dr.-Ing. Uwe Dombrowski, Wolfgang Sunder und Christoph Riechel

Eine schwierige Finanzlage, zunehmender Wettbewerbsdruck, veränderte Ansprüche der Patienten, Innovationen in der Medizintechnik: Krankenhäuser müssen in Zukunft effizienter planen, betreiben und arbeiten, um sich den Herausforderungen zu stellen und eine qualitätsvolle Gesundheitsversorgung gewährleisten zu können. Dem Krankenhausbau kommt hierbei eine Schlüsselfunktion zu. Viele Krankenhausbetreiber arbeiten deshalb mit Hochdruck an der Effizienzsteigerung der Betriebsmittel und organisatorischen Abläufen. Bieten die vorhandenen Gebäude keine Möglichkeit mehr, die notwendige Effizienzsteigerung zu erreichen, ist es in vielen Fällen notwendig, die baulichen Strukturen anzupassen. Ein interdisziplinäres Forschungsteam mit Experten aus den Bereichen Bauwesen, Prozessplanung und Energiedesign der Technischen Universität (TU) Braunschweig* hat dieses Thema aufgegriffen und untersucht seit Mai 2012 in dem Forschungsprojekt „Praxis: Krankenhausbau“ wie neue Gebäudestrukturen effizient und nachhaltig gestaltet und gleichzeitig Planungsprozesse optimiert werden können.

 

In der ersten Phase des Projektes „Praxis: Krankenhausbau“ wurden bereits die Defizite im Krankenhausbau und im Planungsprozess sowie praxisnah die Anforderungen zukunftsfähiger Krankenhäuser erfasst. In weiteren Arbeitsschritten sollen konkrete krankenhausspezifische Lösungen entwickelt werden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bau- und Raumordnung (BBR), Forschungsinitiative „Zukunft Bau“, gefördert (Kennzeichen: SF-10.08.18.7-12.07). Beteiligt sind zudem Krankenhausträger, Hersteller medizinischer Geräte, Bauträger und Planer (Dräger, Katholischer Hospitalverbund Hellweg, Klinikum Braunschweig, Miele, Rhön-Klinikum AG, Schön Klinik, Schweitzer & Partner, Unity AG, Wolff & Müller).

Das Forschungsprojekt profitiert von der einzigartigen Zusammensetzung der involvierten drei Institute der TU Braunschweig und der Beteiligung der weiteren Partner aus dem Krankenhausbau. Die Ergebnisse, aber auch wichtige Zwischenergebnisse, werden im Rahmen von Meilensteintreffen mit den Unternehmen diskutiert und unter Nutzung von Beispielprojekten evaluiert. Am Ende des Forschungsprojektes im Jahr 2014 werden die Erkenntnisse in einem Planungshandbuch zusammengeführt.

 

Defizite im Krankenhausbau und im Planungsprozess

Krankenhausbauten stellen die beteiligten Planer, Betreiber und Bauschaffenden aufgrund ihrer Komplexität vor große Herausforderungen. Im Rahmen der vom Forschungsteam mit den Projektpartnern durchgeführten Analysen konnten die folgenden Defizite im Bereich des Krankenhausbaus und des Planungsprozesses identifiziert werden:

  • Innovationen in der Medizintechnik und neue Behandlungsformen üben einen enormen Veränderungsdruck aus und erfordern anpassungsfähige, effiziente Gebäudestrukturen und Prozessabläufe. Zulasten der Patienten werden Krankenhausbetreiber diesen Effizienzanforderungen in der Regel durch Einsparungen im Bereich Personal und Ausstattung oder dem Aufschub notwendiger Investitionen in Gebäudestrukturen gerecht.

  • Die Auswirkungen einer mangelnden Gebäudequalität oder die Chancen, die flexible und langfristig effizient nutzbare Gebäude bieten, werden häufig von Krankenhausbetreibern zu spät erkannt. Die entstehenden Umbaumaßnahmen führen zu einer starken Einschränkung des laufenden Betriebs.

  • Krankenhäuser werden häufig mit einer kurzen Gebäudelebenszeit (Abriss statt Umbau) geplant und betrieben. Durch diesen stark wirtschaftlich geprägten Aspekt verlieren Krankenhäuser oft den Blick auf ihre Funktion als Ort der Heilung und Arbeitsstätte. Zudem werden Investitionen in neue Gebäudestrukturen oft zugunsten temporärer Lösungen verzögert, ohne sich jedoch des Ausmaßes dieser Verzögerungen bewusst zu sein.

  • Der hohe Komplexitätsgrad von Krankenhausbauten kann eine detaillierte und vollständige Informationsbeschaffung erschweren. Der hinzukommende hohe Kosten- und Zeitdruck führt häufig zu fehlerhaften Entscheidungen der Krankenhausträger. Im Planungsprozess wird außerdem zu spät das Fachwissen von interdisziplinären Teams (wie Architekten, Prozess- und Energieplaner) integriert.

  • Krankenhäuser verwenden in den meisten Fällen starre Gebäudetechnik, die zu mangelnder Energieeffizienz führt und nicht auf Anforderungsänderungen reagieren kann. Aufgrund steigender Energiekosten erhöht sich der Druck bei Krankenhausbetreibern, Einsparungen im Bereich Energie voranzutreiben. Verstärkt wird dieser Druck mit dem Ziel der Bundesregierung, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 (bezogen auf 1990) um 40 Prozent zu senken.1

Anstelle von Planungsexperten im Krankenhausbau beeinflussen Betriebswirtschaftler oder Betreibergremien die Gestaltung von Krankenhausbauten, obwohl diese als eigenständiger Gebäudetypus eine hohe gesellschaftliche Präsenz besitzen. So werden jährlich in Deutschland ca. 17,1 Millionen Menschen in über 2 000 Krankenhäusern von 2,1 Millionen Menschen behandelt. Das Krankenhaus dient somit jedem vierten Bundesbürger als Ort der Heilung oder als Arbeitsstätte und hat als Gebäude einen entscheidenden Einfluss auf das Wohlbefinden vieler Menschen.2

 

Künftige Anforderungen

Im Rahmen einer deutschlandweiten Onlineumfrage wurden die bereits ausgeführten Potenziale im Krankenhausbau näher untersucht. Ziel der Umfrage war es, praxisnah die Anforderungen an den Krankenhausbau zu erfassen und daraus konkrete Lösungen im Sinne zukunftsfähiger Gebäudestrukturen zu entwickeln. Während des Erhebungszeitraums von August 2012 bis Oktober 2012 wurden 813 Personen zu den Potenzialen des Krankenhausbaus in den Bereichen Prozess, Gebäude und Energie befragt 
(Abbildung 1). Die Umfrage richtete sich zum einen an die Nutzer der Krankenhäuser. Zu diesen zählen beispielsweise Ärzte oder Pflegepersonal. Zum anderen wurden Planungsexperten im Gesundheitssektor befragt.

Die im Rahmen der Umfrage gewonnenen Erkenntnisse dienten dazu, wesentliche Zukunftsthesen für den Krankenhausbau abzuleiten und die Ist-Situation zu analysieren. Im Folgenden werden einige dieser Ergebnisse und Thesen aus dem Bereich Gebäude und Prozess vorgestellt.

 

Prozess

Im Bereich Prozess sahen 19,1 Prozent der Befragten die Bedarfsplanung als wichtigsten Aspekt an, bei dem die Planung weiter optimiert werden sollte ( Abbildung 2). Unter Bedarfsplanung wird in diesem Zusammenhang die methodische Ermittlung der Anforderungen seitens des Kunden verstanden.3 Ebenfalls wurde die Auswahl eines den Anforderungen gerechten Planungsteams als defizitär bewertet.

Dies lässt den Schluss zu, dass sich sowohl durch die Weiterentwicklung von Methoden und Werkzeugen bei der Bedarfsplanung als auch bei den Querschnittsfunktionen der Planung, wie beispielsweise das Projektmanagement, Potenziale heben lassen.

 

Gebäude

Im Bereich Gebäude wurde die Zielgruppe „Planer“ bezüglich der zukünftigen Entwicklungen, der Restriktionen und Potenziale aus baulicher Sicht befragt ( Abbildung 3). Hierbei konnten vier Bereiche identifiziert werden, die gemäß der Befragten künftig ein hohes Maß von Wandlungsfähigkeit aufweisen müssen. Unter Wandlungsfähigkeit wird in diesem Zusammenhang das Potenzial verstanden, eine schnelle und kostenoptimale Anpassung der Gebäudestruktur durchzuführen.4 Zu diesen Bereichen zählen beispielsweise der Zentral-OP oder die zentrale Notaufnahme des Krankenhauses.Die aus der interdisziplinären Zusammenarbeit abgeleiteten Rückschlüsse auf die Vernetzung von Bauwerk, Prozessablauf und Energieeffizienz ermöglichen neuartige Entwicklungen für den Bau und Betrieb von Krankenhäusern sowie damit neuartige und innovative Behandlungsmethoden (Lösungsmöglichkeiten) für Krankenhäuser.

Diese Lösungsansätze basieren auf Zusammenführung der fachspezifischen Expertise aus den Bereichen Industriebau, Energiedesign und Fabrikplanung. Einen dieser Lösungsansätze stellt die Entwicklung eines rollenbasierten Planungsprozesses für Krankenhäuser dar.

Dieser Planungsprozess wird im Folgenden vorgestellt.Um die identifizierten Defizite des Planungsprozesses zu eliminieren und detaillierte Informationen hinsichtlich der benötigten Kompetenz bereitzustellen, ist die interdisziplinäre Neukonzeption des Planungsprozesses notwendig. Um die Ziele Wandlungsfähigkeit oder Nachhaltigkeit zu erreichen, ist der effiziente und richtige Einsatz von Kompetenzen zwingend notwendig.5 Das Vorgehen zur Definition des rollenbasierten Planungsprozesses gliedert sich in vier Schritte (Abbildung 4).

 

Zunächst müssen die zur Planung notwendigen Phasen definiert werden. Dies schließt die Bestimmung der In- und Outputs der jeweiligen Aktivitäten ein. Im zweiten Schritt werden die zwingend notwendigen Informationen aus den Aktivitäten abgeleitet. Aufbauend darauf gilt es zu definieren, wie Methoden und Werkzeuge der drei Disziplinen Prozess, Energie und Bau die Informationsfindung optimal unterstützen können. Aufbauend darauf werden im nächsten Schritt Rollen entwickelt, die die notwendigen Kompetenzen zur Informationsfindung aufweisen. Eine Rolle stellt die Basismenge der Qualifikationsanforderungen an den Rolleninhaber dar, die zur Erfüllung einer bestimmten Tätigkeit notwendig sind.6 Dies schließt Tätigkeiten ein, die während der Projektorganisation und des Projektmanagements anfallen. Zur effektiven und effizienten Aufgabenbearbeitung benötigt die Rolle Planungskompetenz, die sich aus Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz zusammensetzt.7 Der rollenbasierte Planungsprozess stellt eine von vielen Lösungsmöglichkeiten dar. Dieser Ansatz soll im weiteren Verlauf des Forschungsprojektes näher konkretisiert werden.8 Des Weiteren werden unterschiedlichste Lösungsansätze aus den Bereichen des Gebäudes und der Energie analysiert, konzipiert und evaluiert.

Um im turbulenten Umfeld der Gesundheitsbranche zu bestehen, ist es notwendig, die vorhandenen Planungsprozesse weiter zu optimieren. Eine Möglichkeit zur Effizienzsteigerung ist der Lösungsansatz des rollenbasierten Planungsprozesses. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, die unterschiedlichsten Anforderungen in den Bereichen Bauwerk, Prozess und Energie sinnvoll zu erfassen. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit werden dann in den nächsten Schritten des Forschungsprojektes wandlungsfähige und energieeffiziente Lösungsansätze für Planer und Betreiber von Krankenhäusern entwickelt. Diese helfen nicht nur Planungszeiten und -kosten zu optimieren, sondern auch dem Nutzer ein besseres Umfeld anzubieten. Langfristig nutzbare und nachhaltige Gebäudestrukturen unterstützen Patienten, schneller zu gesunden und Mitarbeiter zufriedener und leistungsfähiger zu bleiben.

Anschrift der Verfasser:
Univ.-Prof. Mag. Arch. M. Arch. Carsten Roth/Dipl.-Ing. Wolfgang Sunder, Technische Universität Braunschweig, Institut für Industriebau und Konstruktives Entwerfen, Pockelsstraße 3, 38106 Braunschweig/Univ.-Prof. Dr.-Ing. Uwe Dombrowski/Dipl.-Wirtsch.-Ing. Christoph Riechel, Technische Universität Braunschweig, Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung, Langer Kamp 19, 38106 Braunschweig

 

* IIKE – Institut für Industriebau und Konstruktives Entwerfen, IGS – Institut für Gebäude- und Solartechnik, IFU – Institut für Fabrikbetriebslehre und Unternehmensforschung

1 Dickhoff, A.: Energie sparendes Krankenhaus – Gütesiegel BUND. www.energiesparendes-krankenhaus.de, 21. Juni 2011

2  Deutsche Krankenhausgesellschaft: Foliensatz Krankenhausstatistik, www.dkgev.de/media/file/9068.Foliensatz_Krankenhausstatistik_20110216.pdf 14. April 2011, erstellt auf der Basis der „Grunddaten der Krankenhäuser 2010“ – Fachserie 12 Reihe 6.1.1 des Statistischen Bundesamtes.

3  Deutsches Institut für Normung: DIN18205 – Bedarfsplanung im Bauwesen, Ausgabe 1996-04, Berlin 1996

Reinhart, G.; Krebs, P.; Schellmann, H.: Flexibilität und Wandlungsfähigkeit – das richtige Maß finden. In. Reinhart, G. (Hrsg.): Tagungsband Münchener Kolloquium 2008 Innovationen für die Produktion. Produktionskongress 9. Oktober 2008, Seite 45–55

5  Wiendahl, H.-P.; Reichardt, J.; Nyhuis, P.: Handbuch Fabrikplanung, 1. Auflage, Carl Hanser Verlag, München 2009

6  Graf, A.: Performance Measurement und Competency Management in der Praxis. In: HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik 7 (2002) 5, Seite 46–55, dpunkt Verlag, Heidelberg 2002

7  Dombrowski, U.; Ernst, S.; Riechel, C.: A Role-based Factory Planning Process for Increased worker participation, Proceedings of the 16th Annual International Conference on Industrial Engineering Theory, Applications and Practice, Stuttgart, 20.–23. September 2011

8  Dombrowski, U.; Zeisig, M.: Rollenbasiertes Dokumentationskonzept. wt Werkstattstechnik online, Jahrgang 95 (2005) H. 7/8, Seite 603–607

 

© Das Krankenhaus Heft 2|2013, W. Kohlhammer GmbH Stuttgart