01|08|2011

Management & Krankenhaus

Lungenklinik Ballenstedt

Langsam wieder atmen lernen

Mit dem Aufbau einer Weaning-Station beschreitet die Lungenklinik Ballenstedt einen neuen Weg, um die Heilungschancen langzeitbeatmeter Patienten deutlich zu erhöhen.

Die Fortschritte in der Intensivmedizin ermöglichen einer wachsenden Zahl von Patienten das Überleben akuter kritischer Erkrankungen. Gleichzeitig schaffen diese Fortschritte – zusammen mit der allgemein erhöhten Lebenserwartung – aber auch eine stetig wachsende Population chronisch kritisch kranker Patienten, die von mechanischer Ventilation und anderen intensivmedizinischen Therapien abhängig sind.

Sowohl individualmedizinisch als auch volkswirtschaftlich haben chronisch kritische Erkrankungen eine verheerende Prognose: Einerseits ist die Mortalität höher als bei den meisten Malignomen. Andererseits bleiben Überlebende meist langfristig von apparativer funktioneller Unterstützung abhängig. Sie verlassen das Krankenhaus mit erheblichen physischen, teils auch kognitiven Einschränkungen und sind auf institutionelle Pflege oder intensive häusliche Pflege durch Familie und/oder spezialisierte Dienste angewiesen. Aufgrund neuer Therapien, die insbesondere auch bei der wachsenden Zahl älterer Patienten zum Einsatz kommen, steigt die Inzidenz chronisch kritischer Erkrankungen in den letzten Jahren erheblich.

Im Bereich der Lungenheilkunde ist die chronisch respiratorische Erkrankung als ein Teilaspekt der chronisch kritischen Erkrankung besonders zu erwähnen. Diese liegt unter anderem dann vor, wenn eine Abhängigkeit von mechanischer Ventilation entsteht.

Die Krankenhaus-Mortalität in der Population der Patienten, die prolongiert mechanisch ventiliert werden, liegt bei 32 Prozent. Diese Population bezieht sowohl COPD-Patienten im krankheitsbedingten Extremfall als auch Fälle schwerer Infektionserkrankungen oder Lungeninsuffizienz nach Unfällen mit ein.

Die durchschnittliche Zeit von der Intubation bis zur Entwöhnung vom Respirator beträgt (abhängig von Schwere und Art der Grunderkrankung) 16 - 37 Tage. Gelingt die Entwöhnung von der mechanischen Ventilation nicht innerhalb von 60 Tagen, wird sie auch später wahrscheinlich nicht mehr möglich sein. Das sogenannte Weaning setzt deshalb noch während der notwendigen Beatmung ein. Als Weaning (englisch to wean = entwöhnen, auch „abstillen“) bezeichnet man die Phase der Entwöhnung eines mechanisch ventilierten Patienten vom Beatmungsgerät, die bislang häufig auf Intensivstationen stattfindet. Der Prozess, an dessen Ende der Patient wieder vollständig alleine atmen kann, beansprucht teilweise mehrere Wochen.

Gegenwärtig belegen Weaning-Patienten oft über längere Zeit Intensivbetten, ohne dass dort auf ihre Lungenprobleme adäquat reagiert werden kann. Auf Intensivstationen ist die Umsetzung des Weanings aufgrund personeller und organisatorischer Erfordernisse oft schwierig realisierbar. Weaning-Zentren behandeln schwer zu weanende Patienten aus Akutkrankenhäusern unter Einsatz spezialisierter Teams (etwa Atemtherapeuten, Psychologen, Logopäden). Einerseits erhöhen sich hier die Erfolgschancen des Weanings gegenüber der Intensivstation signifikant, andererseits wird eine unnötige Belegung hochpreisiger Akut-ITS-Betten vermieden. Weaningstationen können auch multidisziplinäre Rehabilitation anbieten und als Brücke zur heimischen Versorgung dienen.

Die Lungenklinik Ballenstedt/Harz ist eine pneumologische Fachklinik in Trägerschaft der evangelischen Stiftung "Neinstedter Anstalten". Seit 1999 haben an diesem bereits seit 1902 bestehenden Krankenhaus umfangreiche Umbau- und Neubaumaßnahmen mit einem Volumen von insgesamt € 21,6 Mio. stattgefunden. Die Architektengruppe Schweitzer + Partner aus Braunschweig hat im Rahmen einer Zielplanung die gesamte Raumnutzung neu konzipiert und in mehreren Bauabschnitten eine Klinik geschaffen, die allen Ansprüchen an eine zeitgemäße Versorgung pulmonologischer Patienten gerecht wird. Dazu gehörte nicht nur der Neubau eines fünfgeschossigen Funktionsgebäudes und dessen Anbindung an die Bestandsgebäude, sondern auch eine vorgelagerte verglaste Eingangshalle und eine einladend gestaltete Cafeteria, außerdem eine Palliativstation, eine Endoskopieabteilung und ein Medizinisches Versorgungszentrum mit radiologischen und pneumologischen Praxen.

Seit Januar 2011 ist an der Lungenklinik Ballenstedt im kleineren Rahmen mit der Betreuung von Weaning-Patienten begonnen worden. Mit dem nun geplanten Aufbau einer Weaning-Station für elf Patienten geht die Lungenklinik Ballenstedt neue Wege in der Behandlung langzeitbeatmeter Patienten, um die Heilungschancen der Betroffenen künftig deutlich zu erhöhen. Zu diesem Zweck wird eine vorhandene Normalpflegestation gemäß den Erfordernissen des Weanings umgebaut. Die Station, die derzeit über 31 Betten (vorwiegend in Zweibettzimmern) sowie zwei Beatmungsplätze verfügt, wird dazu vollständig geräumt. Etwa € 2,5 Mio. wird der Umbau kosten, wobei die Medizintechnik nicht eingerechnet ist. Die für Langzeitpatienten ausgelegte Weaningstation stellt medizintechnisch eine Mischung aus ICU und IMC dar.

Bei der Umbaumaßnahme wird aus Kostengründen ein Großteil der Räume erhalten und lediglich in der Nutzung verändert. So entfallen etwa die Bäder an den zukünftigen ICU-Zimmern und werden zu Vorräumen/Schleusen umgebaut. Diese Zimmer erhalten aufgrund ihrer Ausrichtung nach Osten und wegen der Deckenversorgungseinheiten (Monitoring) eine Teilklimatisierung. Der Fußbodenbelag muss ausgetauscht werden, da eine Leitfähigkeit technisch erforderlich ist. Das in der Station vorhandene Farbkonzept wird übernommen, lediglich die Beleuchtung wird der neuen Funktion angepasst. Wegen des gegenüber einer Normalpflegestation deutlich erhöhten Personalschlüssels werden größere Sozialräume und mehr Arzt- und Büroräume benötigt. Auch Warte- und Aufenthaltsbereich für Angehörige müssen ausgebaut werden.

Die Fertigstellung der Umbaumaßnahme ist für 2012 vorgesehen. Udo Rönspeck, Projektleiter bei der Architektengruppe Schweitzer + Partner: „Vom Sanatorium 1902 über die Tuberkuloseheilstätte 1950 sind wir dann bis 2012 bei einer hochmodernen pneumologischen Fachklinik, die allen zeitgemäßen Erfordernissen Rechnung trägt.“

Text: Claudia Schuh, Hannover