01|11|2019

Niedersächsisches Ärzteblatt

Die Ärztekammer Niedersachsen zu Besuch in der Capio Elbe-Jeetzel-Klinik in Dannenberg

Was sind die Herausforderungen für das 100-Betten-Haus im östlichsten Kreis des Bundeslandes?
Wie wird die Zukunft aussehen?

Rund um die Uhr für ein schweres Polytrauma gewappnet – so präsentierte sich die Ärzteschaft der Capio Elbe-Jeetzel-Klinik in Dannenberg bei einem Besuch von Mitgliedern der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN) Mitte Oktober. ÄKN-Vizepräsidentin Marion Charlotte Renneberg, der Vorsitzende der ÄKN-Bezirksstelle Lüneburg Dr. med. Johannes Herzog und Bezirksstellengeschäftsführer Timo Schwarz machten sich ein Bild von der Arbeit des 100-Betten-Hauses und den Herausforderungen, denen es sich im östlichsten Landkreis Niedersachsens zu stellen hat. Die Klinik, die sich seit 2003 in privater Trägerschaft befindet und seit 2012 in einem luftigen, ansprechenden Neubau untergebracht ist, wurde Ende 2018 von dem französischen Konzern Ramsay Générale de Santé übernommen. Die in Paris ansässige Klinikkette erwarb vor etwa einem Jahr die Aktienmehrheit des schwedischen Gesundheitsunternehmens Capio.

Mit einem Team an Vollzeitkräften von insgesamt 36 Ärzten und rund 130 weiteren Mitarbeitern – insgesamt gibt es 262 Beschäftigte – stellt die Capio Elbe-Jeetzel-Klinik als ein Krankenhaus der Grundversorgung im Landkreis Lüchow-Dannenberg sicher, dass schwer verletzte Notfälle stets adäquat versorgt werden können: „Wir behandeln 1,5 Polytraumen in der Woche“, beschrieb Dr. med. Norbert Messerschmidt, Ärztlicher Direktor sowie Chefarzt Orthopädie, Unfallchirurgie und spezielle Unfallchirurgie, den Gästen aus der Ärztekammer die Arbeit im Schockraum: „Das ist unser tägliches Brot.“ Wie wichtig eine eingespielte Routine bei der Erstversorgung von Notfällen sei, betonte auch Matthias Franke in seiner Funktion als Chefarzt der Anästhesie und der Intensivmedizin der Capio Elbe-Jeetzel-Klinik.


Zugleich wehrte sich Franke entschieden gegen jene Debatte, die kleineren Krankenhäusern die Existenzberechtigung absprechen möchte, und zwar nicht erst seit der Veröffentlichung der von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebenen Untersuchung zu einer „Zukunftsfähigen Krankenhausversorgung“ in diesem Sommer. Franke, der zugleich die Position des Leitenden Notarztes des Landkreises Lüchow -Dannenberg bekleidet, berichtete zum Beispiel von den Notfällen, die nicht über die Strecke von mehr als 60 Kilometern von Gartow bis nach Uelzen transportiert werden könnten: „Das dauert vielleicht zwei Stunden, bis die Patienten je nach Wetterlage am Ende dort ankommen – dann haben sie keine Chance mehr.“ Denn die Routen von Dannenberg nach Lüneburg (50 Kilometer) oder Uelzen (47 Kilometer) gehen keineswegs über die Autobahn, sondern über teilweise schmale und unübersichtliche Landstraßen.

Das Verkehrsnetz wird daher auch mit verantwortlich gemacht für die schweren Verkehrsunfälle, zu denen es in dieser Gegend immer wieder kommt. Tino Geipel, stellvertretender Pflegedienstleiter, schloss sich der Argumentation an: „Die schwerwiegendsten Traumen habe ich bisher hier in Dannenberg erlebt.“ Und das seien oft junge Menschen, sagte Franke, „die ein schwerer Verkehrsunfall mitten aus dem Leben reißt.“

„Dieser Landkreis ist exemplarisch für eine strukturschwache Region“

„Wenn wir von einer strukturschwachen Region sprechen – dieser Landkreis ist exemplarisch“, bekräftigten Messerschmidt und Verwaltungsdirektor Achim Schütz. Für kleinere Krankenhäuser in Gebieten wie dem Landkreis Lüchow-Dannenberg, der Ende 2017 48.357 Einwohner zählte, sei der vom Gesetz vorgesehene Sicherstellungszuschlag lebenswichtig, führte Schütz aus.

„Bei uns gibt es nur etwa 438 Einwohner pro Krankenhausbett“, räumte der Verwaltungschef ein. Trotzdem sei die Auslastung durchaus beachtlich, bestätigte Schütz. Die Notaufnahme verzeichne immerhin 12.500 Patienten im Jahr, fast 6.000 Patienten würden stationär behandelt, während 2.500 Operationen und 11.000 ambulante Therapien durchgeführt würden.

Aktuelle Zahlen zeigten, dass die Capio Elbe-Jeetzel-Klinik innerhalb des Radius einer dreißigminütigen Fahrzeit eine Abdeckung von 79,2 Prozent der potenziellen Patienten erreiche. Für Schütz, der Anfang des Jahres 2018 die Position des Verwaltungsdirektors übernahm, trotz allem ein Ansporn. Er kämpft gleichermaßen um Patienten wie Mitarbeiter. Denn an der Klinik sind mehrere Stellen unbesetzt.

Besonders am Herzen liegt dem Führungsteam des Krankenhauses daher die Weiterbildung. „Wenn wir keine Weiterbildungsmöglichkeiten haben, bekommen wir keine Assistenzärzte“, sorgt sich Messerschmidt als Ärztlicher Direktor. Wie viele Akteure im Gesundheitswesen glaubt der stellvertretende Verwaltungsdirektor Thomas Heldberg ebenfalls, auf diesem Weg langfristig Personal an das Haus oder die Gegend binden zu können: „Wer fünf Jahre hier arbeitet, der bleibt oft in der Region.“

Eine Möglichkeit, die Schütz vor diesem Hintergrund aktuell auslotet, ist die Idee, die Klinik zu einem akademischen Lehrkrankenhaus auszubauen. „Es macht Sinn, die Studierenden für das PJ aufs Land zu schicken“, findet auch Messerschmidt. Der Ärztliche Direktor glaubt ohnehin, dass die jungen Assistenzärzte in Dannenberg mehr Gelegenheit haben, Erfahrungen zu sammeln als in größeren Häusern. Einen weiteren Pluspunkt sieht Messerschmidt in den hauseigenen flachen Hierarchien: „Wir haben kurze Wege – und das soll auch so sein.“

 

Das eigene Medizinische Versorgungszentrum mit Facharztpraxen im Haus

Auf gute Kommunikation und Kooperation gleichermaßen setzt Schütz. Mit dem Herz- und Gefäßzentrum Bad Bevensen (HGZ) arbeitet die Dannenberger Klinik beispielsweise ebenso zusammen wie mit der Stroke Unit in Uelzen. „Uns fehlen viele Abteilungen wie die Neurochirurgie, Pädiatrie oder die Onkologie etwa“, räumt Messerschmidt ein. Die Klinik setzt stattdessen auf Bordmittel und versucht, über das hauseigene Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) die Patienten frühzeitig ans Haus zu binden. In Dannenberg umfasst das Angebot der In-House-Praxen die Fachrichtungen Gynäkologie, Orthopädie und Unfallchirurgie. Die Fachrichtung Hals-Nasen-Ohrenheilkunde wird in der MVZ-Zweigstelle am Standort in Lüchow angeboten. Unter dem Dach der Klinik praktizieren außerdem weitere niedergelassene Ärzte.

Jenseits all dieser Maßnahmen und Strategien gilt aber der Medizin und Pflege – und vor allem der Qualität – das Hauptaugenmerk des Klinikteams: Stolz wird den Gästen von der niedersächsischen Ärztekammer der neu angeschaffte Computertomograf gezeigt oder die modern und ansprechend ausgestattete gynäkologische Abteilung in der mehr als 300 Kinder im Jahr zur Welt kommen – „Tendenz steigend“, wie Heldberg feststellte.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit der Krankenhausleitung aber steht Schütz zufolge die Behandlungsqualität: „Das Ziel ist in erster Linie die Sicherheit und Zufriedenheit der Patienten.“ Um dies zu erreichen und zu gewährleisten habe das Team unter anderem Checklisten für ein standardisiertes Vorgehen entwickelt, berichtete der Verwaltungsdirektor. Für das Stellen von Diagnosen gebe es zum Beispiel Standardleitfäden. Zum vereinheitlichten Vorgehen gehört laut Messerschmidt ferner, dass Patienten vor der stationären Aufnahme ein Screening auf MRSA erfahren, denn Methicillinresistente Staphylococcus aureus-Stämme sind häufig der Verursacher von Krankenhausinfektionen. Messerschmidt zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden: „Aufgrund der speziellen Waschprogramme vor orthopädischen Eingriffen haben wir bei Besiedelung deutlich weniger nosokomiale Infektionen.“

Wie sie die Zukunft für ihre Einrichtung sehen, wollte ÄKN-Vizepräsidentin Marion Charlotte Renneberg schließlich noch stellvertretend für die kleine Ärztekammer-Delegation wissen. Aufgrund des schon jetzt hohen Altersdurchschnitts bei der Bevölkerung im Landkreis glaube er nicht, sagte Messerschmidt, dass die Telemedizin schon so bald eine Alternative für die Dannenberger Ärzte darstellen werde. Auf mehr Demenzpatienten in der demenz-sensiblen Klinik stelle er sich für die Zukunft ein, äußerte sich Franke als Chefarzt der Anästhesie und Intensivmedizin.

Einen stärkeren transsektoralen Austausch und vermehrt engere Kooperationen prophezeiten dagegen Schütz und Messerschmidt. „Warum haben wir nicht vor 30 Jahren das Modell der Poliklinik von der DDR übernommen“, bedauerte etwa Messerschmidt. Der Ärztliche Direktor der Dannenberger Klinik kündigte ferner an, es werde in den nächsten Jahren zu mehr Kommunikation zwischen niedergelassenen und Krankenhausärzten kommen: „Ich sehe, dass es schon jetzt im Landkreis viele Praxen gibt, die kooperieren.“

 

© Niedersächsisches Ärzteblatt, 92. Jahrgang, Ausgabe 11|2019, Text von Inge Wünnenberg

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